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Mindestens 100 Wörter: Finden Sie es richtig, dass in manchen Regionen Deutschlands Dialekte gepflegt* werden? Gehören Ihrer Meinung nach Dialekte und individuelles Sprachverhalten ausschließlich in den privaten Lebensbereich? Begründen Sie Ihre Antwort unter Bezugnahme auf* verschiedene Lebensbereiche.
* pflegen: prendre soin de
* unter Bezugnahme auf: en prenant en compte, en considérant
Document : Die Sprache meiner Eltern
Meine Eltern1 untereinander sprachen deutsch, wovon ich nichts verstehen durfte. Zu uns Kindern und zu allen Verwandten und Freunden sprachen sie spanisch2. Das war die eigentliche Umgangssprache, allerdings ein altertümliches Spanisch, ich hörte es auch später oft und habe es nie verlernt. Die Bauernmädchen zuhause konnten nur Bulgarisch, und hauptsächlich mit ihnen wohl habe ich es auch gelernt. Aber da ich nie in eine bulgarische Schule ging und Rustschuk mit sechs Jahren verließ, habe ich es sehr bald vollkommen vergessen. Alle Ereignisse jener ersten Jahre spielten sich auf spanisch oder bulgarisch ab.
Wenn der Vater vom Geschäft nach Hause kam, sprach er gleich mit der Mutter. Sie liebten sich sehr in dieser Zeit und hatten eine eigene Sprache unter sich, die ich nicht verstand, sie sprachen deutsch, die Sprache ihrer glücklichen Schulzeit in Wien. Am liebsten sprachen sie vom Burgtheater, da hatten sie, noch bevor sie sich kannten, dieselben Stücke und dieselben Schauspieler gesehen und kamen mit ihren Erinnerungen darüber nie zu Ende.
Ich hatte also guten Grund, mich ausgeschlossen3 zu fühlen, wenn die Eltern mit ihren Gesprächen anfingen. Sie wurden überaus lebhaft und lustig dabei und ich verband4 diese Verwandlung, die ich wohl bemerkte, mit dem Klang der deutschen Sprache. Ich hörte ihnen mit der größten Anspannung zu und fragte sie dann, was dies oder jenes bedeutete. Sie lachten und sagten, es sei zu früh für mich, das seien Dinge, die ich erst später verstehen könne. Es war schon viel, dass sie mir das Wort „Wien“ preisgaben, das einzige. Ich glaubte, dass es sich um wunderbare Dinge handeln müsse, die man nur in dieser Sprache sagen könne. Wenn ich lange vergeblich gebettelt5 hatte, lief ich zornig davon, in ein anderes Zimmer, das selten benutzt wurde, und sagte mir die Sätze, die ich von ihnen gehört hatte, her, im genauen Tonfall, wie Zauberformeln, ich übte sie oft für mich, und sobald ich allein war, ließ ich alle Sätze oder auch einzelne Worte, die ich eingelernt hatte, hintereinander los, so rasch, dass mich sicher niemand verstanden hätte. Ich hütete mich aber davor6, die Eltern das je merken zu lassen, und erwiderte ihr Geheimnis mit meinem.
Ich fand heraus, dass der Vater einen Namen für die Mutter hatte, den er nur gebrauchte, wenn sie deutsch sprachen. Sie hieß Mathilde und er nannte sie Mädi. Einmal stand ich im Garten, verstellte so gut ich es vermochte, meine Stimme und rief laut ins Haus hinein: „Mädi! Mädi!“ So rief sie der Vater vom Gartenhof aus, wenn er nach Hause kam. Dann rannte ich rasch ums Haus herum davon und erschien erst nach einer Weile wieder mit unschuldiger Miene. Da stand die Mutter ratlos und fragte mich, ob ich den Vater gesehen hätte. Es war ein Triumph für mich, dass sie meine Stimme für die des Vaters gehalten hatte, und ich hatte die Kraft, die Sache, die sie ihm als unbegreiflich gleich nach seiner Heimkehr erzählte, für mich zu behalten.
Es fiel ihnen nicht ein, mich zu verdächtigen7, aber unter den vielen heftigen Wünschen dieser Zeit blieb es für mich der heftigste, ihre geheime Sprache zu verstehen. Ich kann nicht erklären, warum ich dem Vater nicht eigentlich dafür grollte8. Wohl aber bewahrte ich einen tiefen Groll gegen die Mutter und er verging erst, als sie mir Jahre später, nach seinem Tod, selber Deutsch beibrachte9.
Nach: Elias CANETTI, Die gerettete Zunge, 1977